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Die Nachricht sorgt für Aufregung: Österreichs Justizbehörden haben Ermittlungen gegen den Immobilieninvestor René Benko eingeleitet. Im Oktober 2022 wird dieser Fall in Wien zum Gesprächsthema. Benko wird verdächtigt, einen leitenden Beamten des Finanzministeriums bestochen zu haben, um ein Steuerverfahren zu seinen Gunsten zu beeinflussen.

Dieses Justizverfahren stellt einen kritischen Punkt in Benkos Laufbahn dar. Zum ersten Mal scheint der bisher erfolgreiche Immobilienmagnat in seiner Karriere angegriffen.

Vor den aktuellen Ereignissen galt der 46-jährige Benko öffentlich als „Wunderwuzzi“ – ein Wunderkind, dem scheinbar alles gelang. Noch im Jahr 2020 erwarb Benko zusammen mit der thailändischen Central Group in der Schweiz die renommierte Warenhauskette Globus, einschließlich bedeutender Immobilien wie dem Hauptgebäude an der Zürcher Bahnhofstrasse. Ende 2021 kauften die Partner zusätzlich das britische Warenhaus-Konglomerat Selfridges für 4 Milliarden Franken.

Gemeinsam schufen Signa und Central die führende Luxuswarenhauskette Europas. Dies markierte den Höhepunkt in Benkos Karriere. Doch wie kam dieser brachiale Niedergang Benko und seiner Signa überhaupt zustande? Diese Fragen möchte folgender Artikel auf den Grund gehen und beleuchtet dabei nicht nur aktuelle Entwicklungen, sondern auch die Leichen im Keller Benkos.

Wer oder was ist Signa?

Die SIGNA-Gruppe, gegründet im Jahr 2000, ist eine international tätige, vollständig privat gehaltene Holding, die sich auf die Immobilien- und Einzelhandelsbranchen spezialisiert hat. Sie gliedert sich in zwei Hauptgeschäftsbereiche: SIGNA Real Estate und SIGNA Retail. Im Bereich SIGNA Real Estate sind die SIGNA Prime Selection AG, eine Gesellschaft für Gewerbeimmobilien, und die SIGNA Development Selection AG, die sich mit der Entwicklung von Wohn- und Gewerbeimmobilien befasst, angesiedelt.

Unter dem Dach der SIGNA Retail Group finden sich verschiedene unabhängige Einzelhandelsplattformen, darunter die SIGNA Retail Luxury Holding GmbH und die in Liquidation befindliche SIGNA Retail Department Store Holding GmbH.

René Benko bleibt bis heute das prägende Gesicht der Signa Gruppe, die er im Jahr 2000 ins Leben rief und aus einem kleinen Immobilienprojekt zu einem milliardenschweren Konzern ausbaute. Sein Erfolg beruht darauf, dass er Banken und wohlhabende Investoren davon überzeugen konnte, ihm erhebliche finanzielle Mittel anzuvertrauen. Er unterhält weiterhin geschäftskritische politische Kontakte und war beispielsweise gemeinsam mit dem österreichischen Kanzler auf Geschäftsreisen in Russland und trat als prominenter Gastredner in der Berliner Handelskammer auf.

Erste Zweifel an der Signa-Gruppe

Im Herbst 2022 gerät René Benko überraschend in die Tiefen rechtlicher Auseinandersetzungen. Öffentliche Spekulationen machen ihn zum Gegenstand der Diskussion. Es wird gefragt, ob er möglicherweise getäuscht und die rechtlichen Grenzen überschritten hat.

In Benkos Signa-Gruppe macht sich Unruhe breit. Die negative Medienberichterstattung ist alles andere als willkommen, besonders da gleichzeitig Fragen zu Benkos geschäftlichen Aktivitäten aufkommen. In Deutschland muss die Warenhaustochter Galeria Karstadt Kaufhof innerhalb von zweieinhalb Jahren zum zweiten Mal ein Sanierungsverfahren beantragen.

Zudem wird die Immobilienbranche 2022 von Turbulenzen erfasst. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat im Sommer die Leitzinsen erstmals nach fast zehn Jahren der Nullzinspolitik angehoben, was die Kredite für Immobilienfinanzierungen verteuert. Zusätzlich treiben steigende Inflationsraten die Baukosten in die Höhe. In Deutschland, dem Kernmarkt der Signa-Gruppe, melden mehrere Immobilienunternehmen Konkurs an.

Dennoch versichern die Verantwortlichen bei Signa, die Situation fest im Griff zu haben. Ein Beleg dafür ist Signa Prime, das führende Immobilienunternehmen der Gruppe. Es besitzt nicht nur Anteile an den Globus-Immobilien und den KaDeWe-Gebäuden, sondern engagiert sich besonders in Deutschland bei bedeutenden Bauprojekten wie dem Hamburger Elbtower.

Christoph Stadlhuber, der Geschäftsführer der Signa Holding, betonte im Sommer 2022 im österreichischen Fernsehen, dass die Premium-Immobilien von Signa Prime auf 20 bis 25 Jahre fest finanziert seien. „Die Zinserhöhungen berühren uns daher nicht“, erklärte er. Später jedoch wird bekannt, dass Signa Prime bereits im Jahr 2022 aufgrund der gestiegenen Zinsen eine Abschreibung von 1,2 Milliarden Euro auf das Immobilienportfolio vornehmen und Verluste verbuchen musste.

Der anhaltende äußere Druck bewirkt, dass sich bedeutende Investoren der Signa-Gruppe weiterhin um den Firmengründer Benko scharen. Seit 2013 war es dem Tiroler gelungen, namhafte Kapitalgeber für seine Unternehmungen zu gewinnen, darunter der Hamburger Logistik-Milliardär Klaus-Michael Kühne, der österreichische Bauunternehmer und Strabag-Gründer Hans Peter Haselsteiner, der Schweizer Lindt-&-Sprüngli-Präsident Ernst Tanner sowie die französische Peugeot-Familie.

In der Unternehmenszeitschrift „Signa Times“ preisen die Mitinvestoren Benko noch im Oktober 2022 als „erfolgreichen Geschäftsmann“ und äußern sich „sehr zufrieden“ mit ihren Anlagen. Ihre Worte untermauern sie mit konkreten Handlungen: Insgesamt investieren sie etwa 1 Milliarde Euro an frischem Kapital in die Immobiliensparten der Signa-Gruppe.

Investor Kühne und sein verfängliches Zitat

Ende Februar 2023 ändert sich die Stimmung abrupt. Eine Bemerkung von Klaus-Michael Kühne im „Manager-Magazin“ wirft Fragen auf. Auf seine Beteiligung an Signa angesprochen, äußert er: „Das ist derzeit etwas volatil; wir behalten das Thema im Auge.“ Obwohl es sich um ein isoliertes Statement handelt, löst es sofort Unruhe aus. Deutet Kühne mit seiner hanseatischen Vorsicht darauf hin, dass er Abstand zu Benko gewinnt? Zum ersten Mal deutet ein etablierter Investor an, dass die steigenden Zinsen der Signa-Gruppe Probleme bereiten könnten.

Von diesem Zeitpunkt an verdichten sich die Hinweise, dass Benko finanziell unter Druck steht. Die Finanzierungen der Signa-Unternehmen sind offensichtlich kurzfristiger, als zuvor angenommen. Im Frühjahr 2023 verkauft Signa Prime die Hälfte des KaDeWe-Gebäudes in Berlin an Geschäftspartner der thailändischen Central Group. Dieser Verkauf ist für Benko ein schmerzhafter Schritt, da das berühmte „Kaufhaus des Westens“ bisher als eine seiner Trophäen galt und seinen Aufstieg symbolisiert hatte.

Anfang Juni 2023 vollzieht Benko den bislang größten Verkauf seiner Karriere. Er veräußert die österreichische Möbelkette Kika-Leiner samt dazugehöriger Immobilien für etwa 400 Millionen Euro. Die Transaktion löst in Österreich Verstimmung aus, da Kika-Leiner kurz darauf Insolvenz anmelden muss. Die Öffentlichkeit ist beunruhigt und stellt Fragen zur Rechtmäßigkeit des Geschäfts. Befindet sich Benko auf einem sinkenden Schiff, oder gelingt es ihm, die Finanzen von Signa neu zu strukturieren?

Die Suche nach frischem Geld beginnt

Im Sommer 2023 sucht Benko aktiv nach neuen Kapitalgebern. Er setzt seine Hoffnungen auf eine Finanzspritze von 500 Millionen Euro von einem großen institutionellen Investor aus Asien, doch das Geschäft scheitert. Dies markiert einen kritischen Wendepunkt.

Benko bemüht sich, die komplex strukturierte und weit verzweigte Signa-Gruppe zusammenzuhalten, was jedoch zunehmend schwieriger wird. Am 19. Oktober 2023 wird die prekäre Lage der Gruppe offensichtlich, als Benko eine zugesagte Finanzierung von 150 Millionen Euro an die angeschlagene Online-Sportartikeltochter Signa Sports United zurückzieht. Dadurch ist das Unternehmen gezwungen, Insolvenz anzumelden. Offensichtlich benötigt Benko die Mittel dringend, um andere finanzielle Engpässe zu bewältigen.

Die Mitinvestoren von Benko sind schockiert. Es handelt sich um die erste Insolvenz innerhalb der Signa-Gruppe. Bei Signa Sports United sind 3 Milliarden Euro an Börsenwert verloren gegangen. Einige Geschäftspartner beschuldigen Benko, eigenmächtige Entscheidungen getroffen zu haben. Das Vertrauen beginnt zu bröckeln.

Auf deutschen Baustellen herrscht Stillstand

Ende Oktober 2023 kommt es zu einem weiteren einschneidenden Ereignis. Auf der Baustelle des Elbtowers in Hamburg, der noch nicht zur Hälfte fertiggestellt ist, kommt die Arbeit zum Erliegen. Die beteiligten Baufirmen erhalten von Signa keine Zahlungen mehr.

Für die Öffentlichkeit wird dadurch deutlich, dass die Signa-Gruppe von René Benko sich in einer ernsten finanziellen Krise befindet und um ihr Überleben kämpft. Ironischerweise wird gerade der Elbtower, der ein Jahr zuvor in der Firmenzeitschrift „Signa Times“ noch als „Symbol für Stabilität und Zeichen gegen Verunsicherung und Pessimismus“ gepriesen wurde, zum Sinnbild für Benkos Fall.

Von diesem Zeitpunkt an eskaliert die Situation. Einzelne Investoren, darunter der Unternehmensberater Roland Berger und der Gründer von Fressnapf, Torsten Toeller, fordern ihr investiertes Geld zurück. Auf vielen Baustellen von Signa kommt die Arbeit zum Stillstand. Benkos Mitinvestoren bei der Signa-Holding, einschließlich Hans Peter Haselsteiner und Ernst Tanner, drängen den Firmengründer zu einem temporären Rückzug und schlagen vor, dass ein Sanierungsexperte die Leitung der Geschäfte übernimmt. Nur so könne die Signa-Gruppe noch gerettet werden, argumentieren sie in einem Brief an Benko.

Benko stimmt an der Oberfläche zu, doch ans Aufgeben denkt er nicht. Er ist von einem starken Willen zum wirtschaftlichen Erfolg getrieben und sieht ein Scheitern nicht als Option. Auch ohne offizielle Position im Unternehmen arbeitet der Business-Fanatiker weiterhin rund um die Uhr, so wie er es bereits zuvor getan hatte.

Benko steigt in seinen Privatjet, um die dringend benötigten finanziellen Mittel für die Signa-Gruppe zu beschaffen. Er führt Gespräche mit dem saudi-arabischen Staatsfonds und verschiedenen Hedgefonds. Trotz seiner Bemühungen kann er jedoch keinen der potenziellen Investoren überzeugen, da die komplizierte Struktur seines Unternehmenskonstrukts für sie zu undurchsichtig erscheint.

Signa-Holding meldet Insolvenz an

Am 29. November 2023 erreicht das Schicksal einen unumkehrbaren Punkt. Die Signa-Holding, die als Obergesellschaft der Signa-Gruppe fungiert und mehrheitlich René Benko gehört, meldet beim Wiener Handelsgericht ihre Zahlungsunfähigkeit an. Dies markiert den vorläufigen Höhepunkt des Signa-Dramas und stellt gleichzeitig die größte Insolvenz in der Geschichte der österreichischen Wirtschaft dar.

Die Größenordnung der Schulden sorgt für Erstaunen in der Öffentlichkeit. Die Signa-Holding hat Verbindlichkeiten in Höhe von 5,3 Milliarden Euro. Allein im Jahr 2023 hat sich die Verschuldung offenbar mehr als verdoppelt. Die Vermögenswerte der Holding, einschließlich der Beteiligungen an verschiedenen Immobilien- und Handelsfirmen der Signa-Gruppe, sind hingegen dramatisch gesunken und belaufen sich nur noch auf einen Buchwert von 2,8 Milliarden Euro. Angesichts dieser erheblichen Überschuldung ist es fraglich, ob der Plan der Signa-Holding, sich durch ein Sanierungsverfahren in Eigenverwaltung zu retten, erfolgreich sein wird.

Der Insolvenzantrag der Signa-Holding offenbart auch Details über deren Geschäftspraktiken. Im Jahr 2022 verzeichnete das Unternehmen 4,9 Millionen Euro an Reisekosten, wovon etwa 2 Millionen Euro auf Privatjet-Flüge entfielen. Benko und seine engsten Mitarbeiter pflegten zudem, Geschäftspartner zu Jagdausflügen einzuladen, wofür 0,4 Millionen Euro ausgegeben wurden. Zusätzlich wurden 0,7 Millionen Euro für Sicherheitsmaßnahmen und 0,4 Millionen Euro für Helikopterflüge aufgewendet.

Benko lebte luxuriös und zeigte sich sowohl gegenüber sich selbst als auch seinen Angestellten großzügig. Für den Investor war Geld stets auch ein Mittel, um sich die Loyalität von Geschäftspartnern und Mitarbeitern zu sichern.

Österreichische Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Réne Benko

Die österreichische Justiz hat Ermittlungen gegen René Benko, den Gründer der insolventen Signa-Gruppe, eingeleitet. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) untersucht nicht nur die Vorgänge innerhalb der Signa-Gruppe, sondern auch Benko selbst und eine weitere Person. Im Fokus der Ermittlungen steht der Verdacht des Betrugs durch mutmaßliches Vortäuschen der Zahlungsfähigkeit bei der Verlängerung von Bankkrediten, wie ein Sprecher der Behörde erklärte.

Laut einem Bericht des österreichischen ORF-Radios steht ein Kredit in Höhe von 25 Millionen Euro einer österreichischen Bank im Zentrum der Untersuchungen, der letzten Sommer fällig geworden wäre, jedoch verlängert wurde. Es wird vermutet, dass Benko die Bank bezüglich der finanziellen Lage der Signa-Gruppe getäuscht hat.

Der Anwalt von Benko hat diese Anschuldigungen zurückgewiesen. In einer Stellungnahme bezeichnete er die Vorwürfe als „haltlos und ohne jegliche Grundlage“. „Wir haben bereits Einsicht in die Akten genommen und werden der WKStA schnellstmöglich unsere Darstellung der Sachlage vorlegen“, erklärte er.

Der Rechtsanwalt der betroffenen Bank äußerte gegenüber österreichischen Radiosendern, dass seine Kanzlei aufgrund des Betrugsverdachts entsprechende Anzeigen erstattet habe. Er betonte, dass Benko als faktischer Geschäftsführer direkt beteiligt gewesen sei und daher auch direkt angeklagt werde. Die Namen seiner Mandanten gab der Anwalt nicht preis.

Es war bereits bekannt, dass die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) prüft, ob Benko versucht hat, einen hochrangigen Beamten des österreichischen Finanzministeriums zu bestechen. Zudem bestätigte die Staatsanwaltschaft in München, dass im Zusammenhang mit der Signa-Gruppe wegen Verdachts auf Geldwäsche ermittelt wird. Auch diese Anschuldigungen wurden von Benkos Anwälten zurückgewiesen. Es bleibt spannend!

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